Montag, 27. August 2012

I'm a Nordseeman!


Eigentlich sollte es schon die zweite Mitteldistanz in diesem Jahr sein,
aber mein Fuss hat das anders gesehen. Monatelang war kein Lauftraining möglich.
Und die Augath-Tour-Wettkämpfe, die ich trotzdem durchgezogen habe, waren nicht gerade förderlich.

Seit einigen Wochen dann die Erlösung. Ich konnte wieder schmerzfrei Laufen, ganze 2,6km, Yeah! Genau genommen sechs Wochen vor dem Nordseeman. Also wenig Zeit für viel Vorhaben. Schnell die eigene Regel aufgestellt. Jeden zweiten Tag laufen und immer einen Kilometer mehr. Klar, ich hab mich natürlich nicht daran gehalten und doch mehr gemacht.

Und ein Funken von Chance auf den Nordseeman zeichnete sich ab... Langsam kommt die alte Motivation wieder. Schwimmen, Laufen, Radfahrern so oft es geht, egal. Und immer ein bisschen in den Körper hören, ob der Fuss noch dabei ist. Der Highlight ist die lange Tour Anfang August mit Loic. Wir fahren auf einem Sonntag mal eben 180km unter 6 Stunden. Das letzte Mal bin ich eine ähnlich lange Strecke vor 3 Monaten gefahren, es war genial! Aber auch das Lauftraining scheint zu "laufen". Ich bin für meine Verhältnisse und in anbetracht des wenigen Trainings überraschend schnell.

Am 10.08. endete dann der Anmeldeschluss, an dem habe ich mich dann auch in die Starterliste gebracht. Jetzt gibt es kein zurück mehr. Zumal das Fan-Team auch schon seine Planung aufgenommen hatte.

Dann der Wettkampftag
Die einen meditieren vor Wettkämpfen, hören Musik, die anderen sind nervös.
Ich beruhige mich mit einem monumentalen Klogang.

Eigentlich müsste ich nervös, aufgeregt, hibbelig sein.
Aber wie schon bei anderen Wettkämpfen ist da nichts außer konzentrierter Ruhe oder Respekt vor der Länge. Immer wieder schwirrt mir das Lied von Walter Elf durch den Kopf: "Das ist die Angst vom Tormann beim Elfmeter…" und weiter "…das ist die Angst, die jeder von uns kennt…" Aber die Ruhe dominiert.  Vielleicht mache ich das ganze, um diese Ruhe und Klarheit zu haben? Nee, ich mache es, um das Jahr über den Hintern hoch zu bekommen und zu trainieren.

Als wir in Wilhelmshaven ankommen, ist die Wechselzone noch nicht offen und ich muss mit dem Einchecken warten. Wir gehen zum Hafenbecken, in dem gleich geschwommen wird. Dörthe hat mir vom Vorjahr von hohen Wellen und jeder Menge Quallen berichtet. Den Gedanken daran hatte ich erfolgreich verdrängt. Es ist windig und kalt, irgendetwas bei 14 Grad. Laut Prognose soll es aber trocken bleiben.

Dann kann ich einchecken und suche mir einen Platz für's Rad.
Dann, eine halbe Stunde vor Start in den Neo gepellt und und zum Hafenbecken.
Dörthes Eltern, ihr Bruder und meine Mama sind auch dabei (als Zuschauer).
Philipp sagt noch: "Hier brauchen wir keine Salty Sticks, ein paar kräftige Schluck aus dem Hafenbecken tun es auch" Ich denke, dass ich darauf verzichten könnte, aber ich weiss auch, dass es sich wohl nicht vermeiden lässt.


Dann ab ins Wasser, gleich geht's los, zwei Runden und 1,9 Kilometer. Das Wasser ist überraschend warm. Und dann gleich der nächste Überraschungseffekt, die Wasserlage fühlt sich perfekt an.
Ist es das Salzwasser, Neo… keine Ahnung, es ist geil.
Die ersten Runden beim Einschwimmen zeigen, dass die Wellen mir keinen grossen Stress machen werden. Dann der Startton. Es geht los. Vor mir liegen weit über 5 Stunden (oder fast 6?) der Anstrengung mit viel zu viel Zeit zum Nachdenken.
Ich hab mich etwas aussen eingereiht und finde gut meinen Rhythmus. So schaffe ich die erste von zwei Runden gut. Bei der zweiten Runde finde ich einen anderen Schwimmer, der etwas schneller als ich ist. Ich hänge mich in seinen Sog und kann so die zweite Runde ordentlich Kräfte sparen.
Ein paar Mal versuche ich, vorbei zu schwimmen, aber ich muss merken, dass es zu anstrengend ist.
Am Hals scheuert die Neokante mit Hilfe von Salzwasser den Nacken wund.
Dann auf die Zielgrade und raus aus dem Wasser. Dörthe erzählte mir später, dass ich deutlich schneller als sonst bin. So habe ich mich auch gefühlt, geil!


Dann geht es aufs Rad. 90 Kilometer über fünf Runden.
Die erste Runde läuft richtig gut. Zu gut, wie sich später zeigt.
Mit dem Wind fahre ich in der ersten von fünf Runden mit dem Wind raus. Irgendetwas bei einem 36er Schnitt. Zurück gegen den Wind mit einem 31-32er Schnitt. Also eine coole Radzeit ist auch möglich.
Das Anfeuer-Team hat sich an der Brücke in der Nähe vom Start positioniert und macht richtig gute Stimmung. Die zweite Runde läuft auch noch gut. Aber die dritte und vierte haben es in sich.
Gefühlt kommt der Wind von überall, aber nicht von hinten oder vorn. Vielleicht bin ich aber auch nur schon so fertig… Dann in die fünfte Runde, gleich ist es geschafft. Ich hab die Hälfte gerade geschafft und sehe den Wendepunkt vor mir. Da sehe ich, was die dunklen Wolken bringen. Eine reine Wasserschlacht. Von einer Minute auf die andere steht das Wasser zentimeterhoch auf der Strasse und ich bin durchtränkt… Zehn Minuten später und ich wäre verschont geblieben. Egal. Den kleinen Rest klatschnass zurück und zur Wechselzone.


Der Wechsel dauert ewig. Ich bin so alle, dass ich mir viel Zeit lasse.
Dann geht es auf die Laufstrecke. Es ist schon wieder trocken, ich natürlich nicht.
Ich komme schnell in mein Tempo. Ein Blick auf die Uhr, einen Peace von 5:30. Was?!?
Gefühlt laufe ich langsamer, ich beschließe, mich etwas zurückzuhalten, um die 20 Kilometer zu überstehen. Nach zwei Runden die Erkenntnis: Es ist eine Endzeit unter 5:30 Stunden drin, der Hammer! Ich bekomme es hin, den Schnitt über die ersten drei von vier Runden zu halten. Bis hier hin
läuft es so gut, dass ich es glatt genießen kann. Mein Fuss macht auch keinen Stress, Perfekt.
Die letzte Runde hat es in sich, zwei Kilometer falle ich unter 6 Minuten, der magischen Grenze für die gute Zeit. Dann der Einlauf in den Zielkanal, alles voller Menschen. Ich kann aber irgendwie nur geradeaus gucken. Hinter mir höre ich Schritte und ich gebe nochmal Vollgas. Dass mich einer aus der selben AK hier überholt darf nicht passieren. Im Ziel sehe ich, dass es nur eine Staffel war.


Dörthe, die Family und meine Sportkollegen Philipp und Andreas warten schon.
Ich kann kaum sprechen, mir fehlt etwas die Luft, aber es ist ein bisschen Schade,
dass es schon vorbei ist. Am Ende sind es 5:26:31 Stunden. In der Gesamtwertung bin ich von den 159 gestarteten Männern auf Platz 125. Egal, mein Ziel ist erreicht. Die erste Mitteldistanz, ein halber Ironman. Mit einem Jahr Verspätung (soll ja bei grossen Vorhaben passieren) bin ich ein Nordseeman.


Ich danke - meinem Schatz - Dörthe, ihrer Familie und meiner Mama, dass sie mich so kräftig unterstützt und angefeuert haben. Jeder, der schon mal bei so einem Wettkampf als Zuschauer dabei war, weiss dass das auch sehr anstrengend ist.

Mein Respekt gilt dem Athleten, der mit nur einem Arm den ganzen Wettkampf absolviert hat.

Geschrieben und gesendet von meiner Couch.

1 Kommentar:

  1. Das klingt echt klasse, aber auch anstrengend - seeeeehr anstrengend! Da ist man ja fast vom Lesen KO ;)
    Bleibt nur eins zu sagen: RESPEKT & GRATULATION!
    Gruß von Sofa zu Sofa ;)

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